Sonntag, 12. Februar 2012

22. Kapitel: Berlin im reinen Frieden


Sie stieg ins Flugzeug mit dem etwas unwirklichen Gefühl im Bezug auf die Realität, welches Menschen, die dem Tod begegnet sind, manchmal haben. Sie staunte, dass es das alles noch gab, dass die Menschen um sie herum ihre Koffer hinter sich herzogen, dass sie eincheckten in der Gewissheit, dort anzukommen, wo sie hin wollten, dass sie sich nicht wunderten über den strahlend blauen Himmel, dass sie ihr Gepäck lachend im Flugzeug über sich verstauten, sich anschnallten, ihren Kaffee tranken, über das Wetter redeten …

In Berlin war der Himmel wieder grau. Fast erleichterte sie das.
Gleich am Flughafen kaufte sie sich Zigaretten und rauchte gierig. Dann fuhr sie zur Dienststelle.
Dennis begrüßte sie überschwänglich: „Mensch, Verena! Eine große Sache, was? Da können wir ja froh sein, dass du heil wieder da bist!“
„Ja.“
„Stimmt es, dass du persönlich diesen Altnazi erschossen hast?“
„Wo hast du das denn her?“
„Ach, wir haben so ‘n paar komische Berichte von den französischen Kollegen bekommen, aus denen wir nicht schlau wurden. Ziemlich durcheinander alles. Vielleicht liegts auch an der Übersetzung.“
Im Grunde staunte sie, dass Dennis überhaupt da war. Hatte der etwa den Laden während ihrer Abwesenheit allein geschmissen? Das grenzte ja an ein Wunder.
„Zum Beispiel haben die geschrieben, dass sie dort, ganz in der Nähe von diesem Schloss, wo ihr den Konrad Bessi verhaftet habt, in einem verlassenen Auto Reisepässe von einem Ari Kelch und einer Martha Charms gefunden haben. Sie haben ne Fahndung nach denen rausgegeben. Und jetzt kommt das Schärfste: da stellt sich heraus, dass es die beiden gar nicht gibt. Was sagst Du dazu?“
Das war typisch Dennis. Er hatte sich also noch nicht einmal die Mühe gemacht, in die Akten zu schauen, während sie weg war. Dann hätte er nämlich gewusst, dass es mindestens Ari Kelch sehr wohl gab, dass er sogar mal bei ihnen im Verhörraum gesessen hatte.
„Ich setz mich gleich hin“, meinte sie, „und schreibe meine Version auf. Vielleicht wird ja dann einiges klarer.“ Sie grinste. „Nun starre mich nicht an wie ein Weltwunder, Dennis. Was ist denn überhaupt?“
„Stimmt es, dass du diesen Bessi eigenhändig aus den Flammen befreit hast? Dass du da wirklich reingerannt bist?“
„Du kannst morgen meinen Bericht lesen, okay? – Und was war hier so los? Bei euch? “
„Tote Hose. Gar nichts passiert. Berlin im reinen Frieden. War mir auch recht so, ehrlich. Du sag mal, man munkelt, du bist an einen von der Mossad geraten? Stimmt das?“
„Blödsinn. Da will sich wohl einer wichtigmachen. Wie kommst du denn darauf?“
„Ach, nur so. Die Franzosen vermuten das. Ich habs auch nicht geglaubt.“
Dennis überschlug sich in Liebenswürdigkeiten. Er kochte ihr sogar einen Kaffe, während Verena ihren Abschlussbericht tippte.

Abends in ihrer Wohnung kam es ihr vor, als sei sie monatelang fort gewesen. Angezogen legte sie sich aufs Bett und sann darüber nach, in welch ein gewaltiges Räderwerk sie da hineingeraten war, und wie klein und schäbig sich ihre nächsten Fälle vermutlich dagegen ausnehmen würden... Und dann all diese Routine … Berichte schreiben … Zeugen verhören … und dann Dennis, der nur solange erschien, wie nichts vorfiel … und dann Ralf … was waren das eigentlich für Männer – gegen Ari … aber Ari gab es nicht mehr, Ari Kelch hatte es nie gegeben… und dann fiel sie in einen bleiernen Schlaf …

Oh, nein, nicht schon wieder. Ari hatte erneut die Weingläser umgeschmissen, und ein weiteres Mal vernahm sie das nervtötende Geräusch zerbrechenden Glases.
„Ari, jetzt hör endlich auf“, sagte sie.
„Ja, ja, schon gut“, sagte er, kam näher und begann an ihrem Ohrläppchen zu knabbern.
Normalerweise hätte sie Ari schroff von sich gewiesen, schließlich war er unkorrekt mit ihr umgegangen. Sie versuchte sich zu besinnen, was er getan hatte, sah ihm in die Augen, doch es fiel ihr nicht mehr ein. Und zu ihrem eigenen Erstaunen ließ sie Ari gewähren und genoss seine unerwartete Zärtlichkeit. Endlich, dachte sie, endlich habe ich einen Mann gefunden, der mir ebenbürtig ist.
Doch da passierte es schon wieder, Glas klirrte und klirrte.
Und irgendetwas an diesem Geräusch irritierte sie zusätzlich, denn das Klirren klang doch merkwürdig schrill.

Da erwachte sie, das Klirren war kein Rotweinglas und auch Ari war nicht in ihrer Nähe. Es war das Telefon, das sie tief aus ihren Träumen riss.
„Ja, bitte?!“, murmelte sie in den Hörer.
„Frau Mayer-Galotti, Sie müssen sofort kommen. Es hat einen Vorfall in Hellersdorf gegeben. Eine männliche Leiche, direkt vor der Alice-Salomon-Hochschule. Wissen Sie, wo das ist?“
„Ja“, brummte Verena. „Ich komme. Würden Sie bitte meinen Kollegen Dennis Heller auch informieren?“
„Tut mir leid, Herr Heller ist seit heute im Urlaub.“ 

ENDE

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21. Kapitel: Der Heimweg


Erst jetzt, als Verena allein war und die Spannung nachließ, spürte sie den Schmerz an Armen und Beinen. Beim Gang durchs Feuer hatte sie wohl doch mehr abbekommen, als gedacht. Ihre Haut schmerzte bedenklich, und sie merkte, wie ihre Sachen daran festklebten. Das war kein gutes Zeichen.
Noch während sie überlegte, ob es klüger wäre, in diesem Zustand zum Flughafen und von dort nach Deutschland zu kommen, oder noch hier in Frankreich einen Arzt aufzusuchen, hörte sie, wie der Motor eines Autos angelassen wurde. Blitzschnell registrierte ihr Gehirn, das es das Auto des Drachen war, dessen Scheinwerfer dort, unweit des Rollfeldes, aufblitzten, und rannte darauf zu.
Ari saß am Steuer, Martha neben ihm. Martha war sichtlich entnervt von Verenas Auftauchen, und funkelte sie böse an. Ari jedoch kurbelte sein Fenster herunter.
„Wieso nehmt ihr sein Auto?“, keuchte Verena.
„Unser hat kein Benzin mehr. Damit kommen wir nicht mehr weit“, entgegnete Ari.
Im selben Moment wurden Verena zwei Dinge klar: Ihr Leihauto stand irgendwo auf dem Acker und war vermutlich auch nicht mehr zu gebrauchen. Und: Ari war gerade dabei, für immer aus ihrem Leben zu verschwinden.
„Jetzt fahr endlich!“, knurrte Martha. „Jeden Moment ist die Polizei hier!“
„Ari“, sagte Verena so beherrscht wie möglich, „nehmt mich mit. In die nächste Stadt wenigstens. Ich muss zum Arzt.“
Martha protestierte heftig, es sei zu gefährlich, sie müssten so schnell wie möglich verschwinden und könnten „keinen Klotz am Bein“ gebrauchen.
In Verena kochte eine unglaubliche Wut auf Martha hoch, die dort so herrisch und wie selbstverständlich an Aris Seite saß und vermutlich auch weiterhin mit ihm zu tun haben würde, während sie selbst so brutal von ihm fortgerissen wurde. Sie biss die Zähne zusammen. Sie wollte sich keine Blöße geben.
„Los, steig ein“, sagte Ari.
Kaum saß sie, startete er und schweigend fuhren sie über das Rollfeld Richtung Straße.
Sie waren bereits ein gutes Stück auf der Straße unterwegs, als ihnen in der Ferne drei Polizeiwagen mit Blaulicht entgegen kamen. Verena war sofort klar, dass die französischen Kollegen Richtung Schloss fuhren, und auch, dass sie reichlich spät dran waren. Als hätten sie gar kein Interesse daran gehabt, zur rechten Zeit zu kommen. Sie überlegte, ob sie nicht halten und den Kollegen von der Landebahn, dem Privatjet und dem toten Drachen berichten müssten. Als hätte Martha ihre Gedanken erraten, zischte sie: „Unterstehe dich, denen irgendein Zeichen zu geben!“ Schweigend fuhren sie weiter. Erst als die Wagen vorbei waren, fügte Martha hinzu: „Im Übrigen: du hast uns beide natürlich nie getroffen. Aus welchem Grund sollte ich dir eigentlich vertrauen? Verdammt, Ari, es war falsch, sie mitzunehmen! Grundfalsch! Sie weiß zu viel!“
Ari schwieg und fuhr stur geradeaus. Die Spannung im Inneren des Wagens wurde immer unerträglicher. Verena hätte gern irgendetwas Raffiniertes gesagt, um die Situation zu entschärfen, doch ihr fiel nichts ein. Ihre verbrannte Haut, besonders an den Armen, schmerzte immer unerträglicher. Gegen ihren Willen drängten sich Bilder auf: Martha, die sich blitzschnell zu ihr umdrehte, ihr eine automatische Waffe vors Gesicht hielt, abdrückte. Ein Wagen, der kurz hielt. Eine Leiche ohne Gesicht, die in den Straßengraben rollte. Der Satz aus Marthas Mund: „Sie wusste zu viel.“ Aris stummes Nicken ...
All das, gepaart mit den Schmerzen, die kaum noch zu ertragen waren, ließ ihr die Haare zu Berge stehen. Verena war am Ende ihrer Kräfte. Sie konnte nicht mehr verhindern, dass sie wie Espenlaub zitterte.
„Ich vertraue ihr“, sagte Ari.
„Und ich nicht“, gab Martha zurück.
Verena, die hinter Ari saß, zitterte immer mehr. War das möglich? Die beiden dort vorne verhandelten gerade über Tod und Leben. Über ihr Leben! War das vor ihr tatsächlich der Mann, in dessen Armen sie sich noch vor wenigen Tagen so ganz zu Hause gefühlt hatte? Der, dem sie ihr Leben anvertraut hätte? Und jetzt – welch ein Widersinn – schien es tatsächlich in seiner Hand zu liegen. Wäre sie nur nicht in dieses Auto gestiegen!
Martha redete immer heftiger auf Ari ein, aber Verena verstand es nicht mehr, vermutlich war es Hebräisch. In ihr breitete sich, je länger Martha redete, immer mehr Panik aus, sie würde sterben, die beiden würden untertauchen, in ihre Heimat zurückkehren, falls sie überhaupt so etwas wie eine Heimat hatten, jedenfalls würden sie nie gefunden werden. Sie würden für den Mord am Drachen nie zur Rechenschaft gezogen werden. Und ein Mord war es gewesen. Der Mann hätte festgenommen werden müssen, dachte sie, und wusste natürlich gleichzeitig, dass ein über neunzigjähriger Altnazi bei einem ordentlichen Prozess nichts mehr zu befürchten hatte. Das Hinhalten, die Anwälte, die ärztlichen Atteste …
Mit einem barschen: „Schluss jetzt! Wir bringen sie ins Krankenhaus. Sie wird uns nicht verraten. Basta!“, beendete Ari Marthas Redeschwall.
Schlagartig war Schweigen zwischen ihnen. Ari lenkte das Auto sicher und schnell die leere Straße entlang durch die Nacht. Verena vermied es nach vorn zu sehen, um Marthas Augen im Rückspiegel nicht zu begegnen.
„Verdammt!“, stieß Martha plötzlich hervor. „Die Tasche! Wir haben die braune Tasche im Auto gelassen! Wie sollen wir denn jetzt …“
„Es ist alles okay“, sagte Ari.
„Aber die Pässe!“
„Ich hab genug andere dabei. Ari Kelch, Linda und Martha Charm gibt es ab sofort nicht mehr.“
Seine Worte versetzten Verena einen Stich. So einfach konnte man es sich also machen. Seinen Namen mal eben so löschen. Ja, Ari, dachte sie, für mich wird es deinen Namen aber weiterhin geben. Und er wird auch ein Gesicht haben. So schnell bin ich mit dem Löschen nicht.
In der Ferne sah sie die Lichter der Stadt auftauchen.
Da wandte sich Ari an sie. „Verena, ich möchte dich bitten, dir schon jetzt etwas auszudenken. Du wirst befragt werden. Du wirst einen Bericht verfassen müssen. Linda hast du natürlich in Frankreich nicht wieder getroffen. Die ist einfach verschwunden. Kein Problem. Aber was ist mit mir? Hast Du eine Idee?“
So habe ich mich noch nie in einem Menschen getäuscht, dachte Verena. Hätte sie mit ihm allein im Auto gesessen, jetzt wäre der Moment gewesen, ihm ihre Wut und ihr Verletztsein ins Gesicht zu schreien. Dass er sie benutzt hatte! Benutzt, um an Informationen zu kommen! Benutzt, schamlos belogen, für seine Zwecke! Aber neben ihm saß diese Frau, die offensichtlich kein Problem damit hatte, jemanden zu erschießen. Sie durfte sich jetzt keine Blöße geben, das konnte sie das Leben kosten.
Sie hatten Tarascon erreicht. Das Ortsschild löste Erleichterung in Verena aus. Am Straßenrand tauchten immer mehr Laternen auf, und Ari fuhr rasch durch die Straßen, als kenne er sich aus.
„Eine Idee?“, sagte Verena. „Nun, dass wir noch ins selbe Flugzeug gestiegen sind, kann ich kaum abstreiten. Das kann man nachprüfen. Aber – im Grunde bist du mir ja schon während des Fluges abhanden gekommen. Vielleicht bist du aus dem Flugzeug gefallen? Wie wäre das?“
„Das ist zwar witzig, aber doch recht unglaubwürdig, meine Liebe.“
Die Straßen waren hell erleuchtet. Verena sah, wie ein Kneipier seine Ladentür abschloss. Ein Stück weiter stand eine junge Frau in eindeutiger Wartehaltung am Straßenrand. Vereinzelte Nachschwärmer torkelten auf dem Heimweg den Bürgersteig entlang. 
Ari bog schwungvoll in eine größere Straße ein.
„Nenn mich nicht ‚meine Liebe‘!“
„Sorry.“
„Bist du denn noch als Ari Kelch aus dem Flugzeug gestiegen?“
„Ja, natürlich.“
„Aber ich habe dich nicht mehr gesehen, seit …“
„Das tut nichts zur Sache, Verena. Das führt jetzt zu weit. Wir sind gleich beim Krankenhaus. Also: wo hast du mich verloren?“
„Auf dem Flughafen natürlich. Du bist nur schnell Zigaretten holen gegangen. Und warst verschwunden. So verschwinden Männer doch, oder?“
„So ein Quatsch!“, fuhr Martha böse dazwischen. „Das ist ...“
„Das ist gut“, stellte Ari fest. „Das ist gut, weil es absurd ist. Und weil es einfach ist.“
Seine Stimme wurde weich. „Verena. Du warst großartig. Ich ziehe den Hut vor dir. Da vorn ist das Krankenhaus. Ich fahre jetzt seitlich ran und halte nur kurz. Steig dann bitte schnell aus.“
„In Ordnung. Ari, ich …“
„Und dies noch: auch wenn du es anders siehst, ich habe dich nicht benutzt. Leb wohl, Verena.“
Mit einem Ruck hielt der Wagen am Bordstein. Verena, die sich bereits abgeschnallt hatte, riss die Tür auf, sprang heraus und warf die Tür wieder zu. Sofort fuhr Ari weiter.

So kurz, wie Verena gedacht hatte, fiel die ärztliche Konsultation dann aber doch nicht aus. Volle acht Tage musste sie im Krankenhaus von Tarascon bleiben, bis ihre Brandwunden soweit verheilt waren, dass sie nach Hause weiter reisen konnte. Während dieser Zeit hatte sie genug Gelegenheit, darüber nachzudenken, wie sie ihren Abschlussbericht verfassen würde. 
Als sie von einer Schwester erfuhr, dass auch Martin Hiems in diesem Krankenhaus versorgt würde, traf sie sich mit ihm. Gemeinsam studierten sie die französischen Zeitungen und erfuhren, dass Konrad Bessi überlebt hatte und verhaftet worden war, dass der alte Schlossbesitzer, dessen Name unbekannt war, und zwei seiner Angestellten „auf mysteriöse Weise ums Leben gekommen“ waren, und dass der Verbleib „einiger lange verschollener Van-Gogh-Gemälde zwar geklärt, diese allerdings nicht mehr gerettet werden konnten“. Kein Wort allerdings fand sich von Nazi-Machenschaften, kein Wort von geraubten Bildern, von argentinischen Millionen und ermordeten Juden.
Konrads Freund schüttelte sprachlos den Kopf bei dieser Lektüre. Ihn interessierte viel mehr, was aus Konrad werden würde. Immer wieder fragte er, mit welch einer Strafe sein Freund wohl rechnen müsse. 
Aber darauf konnte ihm Verena auch keine Antwort geben.
Sie mochte den jungen Mann, der bei der Schlacht am Feuer so mutig über sich hinausgewachsen und ihr wahrscheinlich das Leben gerettet hatte.

Am letzten Tag ihres Krankenhausaufenthaltes bekam Verena Besuch von der französischen Polizei. Man wollte von ihr wissen, was sie über die Personen Ari Kelch und Martha Charms sagen könne, deren Pässe in einem Wagen nahe des Schlosses gefunden worden waren.
Verena erwähnte nur punktuell Aris Rolle bei ihren Ermittlungen in Deutschland, sagte, dass seine Unschuld jedoch nachgewiesen worden sei und erwähnte oberflächlich sein Verschwinden auf dem Flughafen. Eine Martha Charms sei ihr unbekannt. 
Sie staunte, wie leicht ihr das Lügen fiel. 

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Samstag, 4. Februar 2012

20. Kapitel: Martha, die Drachenbezwingerin

Martha hatte einen ganz leichten Akzent, der sich russisch ausnahm, und der als Deckung für ihre Rolle als Table Dancerin perfekt gewesen war. Das Vorurteil, dass es besonders viele osteuropäische Frauen in dieses Umfeld verschlug, war weit genug verbreitet.
„Wie sind Sie auf die Idee gekommen, sich als Tänzerin zu verdingen?“, fragte Verena, um Martha von ihrem erhöhten Stresspegel herunter zu holen.
„Nun, wie Sie vielleicht schon wissen, oder auch nicht, sind wir dem Drachen schon seit langem auf der Spur.“ Bei diesen Worten blickte sie Ari in der Vermutung, dass er wahrscheinlich zu viel erzählt hatte, wuterfüllt an.
„Wir wußten, dass es in der Kunstszene jemanden gab, der sogenannte entartete Kunst kaufte, um sie zu vernichten. Aber der Käufer blieb bei jeder Auktion anonym. In einem mitgehörten Telefonat mit einem Auktionär legte er seine Absichten jedoch offen und erklärte, dass ihm das Geld, das er dafür gebrauche egal sei, denn es sei ja sowieso nur Judengeld. Anhand der Stimme konnten wir ihn als einen Mann identifizieren, der über 90 und deutsch war, jedoch seit langem nicht in Deutschland gelebt zu haben schien. Sein Sprachgebrauch war veraltet, und er suchte manchmal nach Worten. Er nannte sich ‚Drache von Tarascon.‘ Anfragen bei französischen Behörden, ob es in Tarascon einen alten deutschen Einwohner gäbe, der vielleicht als Kunstsammler bekannt war, führten zu nichts.
Zur gleichen Zeit hatte Ari eine heiße Spur auf sein verlorenes Familienbild entdeckt, nach dem er seit langem suchte. Und als wir herausfanden, dass der Besitzer des Bildes in Geldnot war, hatte unsere Organisation eine Idee. Einige Mossad- Agenten streuten in gewissen Kunstkreisen die Nachricht, dass Konrad das Van-Gogh-Bild verkaufen wollte. Wir hofften, der Drache würde darauf reagieren und wir könnten sowohl das Bild zurückgewinnen als auch den Drachen schnappen.
Er hat ja auch reagiert, nur dann folgte das Dilemma mit den verwechselten E-Mail-Adressen. Als die Erpressermail von Randolf Bock eintraf, hatten wir zwar das Gefühl, dass es sich nicht um den Drachen handelte, aber wir mussten herausfinden, wer er war und ob er vielleicht mit dem Drachen unter einer Decke steckte. Da kam ich ins Spiel, als Tänzerin. Randolf hielt sich öfters in Table Dance Bars auf, da war es naheliegend über diesen Weg Kontakt zu ihm aufzunehmen. Ich horchte auch seinen Kollegen und besten Freund aus. Ich konnte ja nicht ahnen, dass sie sich meinetwegen in die Haare kriegen würden. Aber letztlich war das auch egal. Als mir klar wurde, dass sie nichts mit dem Drachen zu tun hatten, zog ich mich zurück.
„Warum haben Sie uns nicht mit unseren Ermittlungen geholfen?“, fragte Verena. „Mit Ihrer Aussage hätten wir doch viel schneller herausfinden können, dass Kamm unschuldig war, und Sie müssen gewusst haben, dass Konrad als Auftraggeber des Mordes in Frage kam.“
„Oh ja, das wussten wir. Nur sehen Sie, wir waren nicht hinter Konrad her. Wir waren hinter dem Drachen her und mussten zum Zwecke des eigenen Auftrages unsere Deckung aufrecht erhalten.“
„Du hast also die ganze Zeit gewusst, wer der Mörder war, Ari?“, fragte Verena Ari.
Ari nickte.
„Du hättest Schauspieler werden sollen.“
„Da könnte ich nicht soviel bewirken.“, bemerkte Ari.
Verena dachte an seine ruhige und glaubwürdige Erscheinung als Fotograf und Privatdetektiv. Wie clever er sich in genau die Stühle gesetzt hatte, die in ihrem Leben leer waren. Der Stuhl ihres Kollegen Dennis, der Stuhl eines Partners... und wie aufopferungsvoll er ihr bei den Ermittlungen geholfen hatte, bis klar war, wo sich der Drache aufhielt. Da packte er seine Sachen und wollte sich aus dem Staub machen. Und sie hatte ihm helfen wollen. Wie unsinnig das war! 
„Du hattest nicht mal vor, dich zu verabschieden, oder? Als du deine Sachen für Tarascon gepackt hast.“
„Eigentlich nicht,“ erwiderte Ari, „aber ich hatte den Eindruck, dass du sowieso in Erwägung zogst, nach Tarascon zu fliegen, um bei der Festnahme von Konrad Bessi zu helfen. Da dachte ich, es wäre besser, wenn wir zusammen flögen. Ich wollte dich unterstützen und gleichzeitig meinen Auftrag ausführen. Aber als du nicht aufhörtest, mir eine Szene zu machen, habe ich meine Meinung geändert. Da habe ich mich nur noch auf meinen Auftrag besonnen.“
Verena war beleidigt und immer noch verärgert, aber sie versuchte, ihren Ärger herunter zu schlucken.
„Und was ist nun dein, oder Euer, Auftrag, wenn ich fragen darf?“
„Hast du es denn immer noch nicht begriffen?“, herrschte Martha sie an. „Wir sind hier, um den Drachen zu töten.“
„Ohne Festnahme, ohne fairen Prozess, ohne Urteil? Was bildet Ihr Euch eigentlich ein, wer Ihr seid?“
Martha lachte laut auf.
Wie viele faire Gerichtsprozesse gab es denn, um Nazis zur Rechenschaft zu ziehen? Simon Wiesenthal hat sein ganzes Leben dafür geopfert, einen einzigen, nämlich Eichmann, aufzuspüren und vor Gericht zu stellen. Wenn wir nicht hin und wieder noch welche erschiessen würden, wie viel Fairness gäbe es dann? Die ganze Welt hat zugeschaut, wie sich tausende Nazis in Argentinien ein sicheres Nest bauten und sich mit Nazigold den Schutz der argentinischen Regierung erkauften. Wir sind die einzigen, die für etwas Gerechtigkeit sorgen, die einzigen, vor denen sie noch Angst haben müssen. Erzähl‘ du mir nichts von Prozessen und Gerechtigkeit!“
Verena wusste nicht, was sie sagen sollte. Sie fühlte sich, als ob sie nichts mit der deutschen Vergangenheit zu tun hatte. Das alles hier hatte nichts mit ihr zu tun und nichts mit ihrem Heimatland, an dessen Justizsystem sie glaubte. Aber Martha, die noch viel jünger war als sie, hatte offensichtlich persönliche Motive. Für Martha und Ari war diese Mission persönlich.
„Du hast keine Ahnung, wie es ist, in einer Familie aufzuwachsen, in der beide Elternteile alle Angehörigen in KZs verloren haben.“, fügte Martha leise und wütend hinzu. „Du trägst keine Schuld, das ist schon richtig, und du sagst auch nicht, dass du es toll findest, was deine Großeltern gemacht haben. Aber du hast etwas, was ich nicht habe: eine vollständige Familie. Und dafür hasse ich dich.“
Da war es also: ihr persönliches Motiv.
Ari schaute Verena fast entschuldigend an. Auch er hatte seinen persönlichen Motive. Der alte Bessi und der Drache waren Aufseher gewesen, unter denen seine Eltern zu leiden hatten, aber er ging nicht so weit, Verena dafür zu hassen.
Plötzlich raste ein Auto an ihnen vorbei.
Es war das Auto des Drachen.
Ari und Martha schauten sich eine Sekunde lang an, dann trat Ari aufs Gaspedal und fuhr hinterher.
Wenige Sekunden später schauten zwei maskierte Männer aus den hinteren Fenstern des Fluchtautos und fingen an, auf das Verfolgerauto zu schiessen.
Martha ergriff eine Handpistole unter ihrem Sitz und schoss zurück. Verena hielt sich geduckt auf dem Rücksitz. Mehrere Kugeln flogen in der Dunkelheit an ihren Zielen vorbei. Dann passierte es. Es knallte. Verenas Auto kam ins Schleudern. Ari konnte es nur mit Mühe und Not abseits der Strasse, auf brach liegendem Feld zum Stehen bringen.
Ari und Martha stiegen aus.
„Scheiße!“, rief Martha.
Gemeinsam mußten Ari, Martha und Verena mit anschauen, wie der Drache mit seinen zwei Handlangern aufs Rollfeld vorfuhr. Sie stiegen aus und rannten an Bord eines kleinen Privatjets.
Martha lief zum Kofferraum und holte ein Maschinengewehr heraus.
Dann lief sie los, in die Dunkelheit hinaus.
Der Jet startete. Er rollte los. Er hob ab.
Als er bereits etliche hundert Meter vom Boden entfernt war, hörte Verena eine Salve an Schüssen. Das Flugzeug explodierte in der Luft.
In dem gleißenden Licht, das die Explosion auslöste, schauten sich Verena und Ari an. In seinen blauen Augen flackerten aufrichtiges Bedauern, Intimität und Fremdheit. Eine vertraute, warme Schwingung kam von ihm zu ihr herüber, erfror aber in der Berührung mit einem Störsignal. Es war ein Abschied. Er nickte ihr zu und verschwand dann ebenfalls in der Dunkelheit.

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19. Kapitel: Die letzte Kugel

Verena sah sich im Garten um. Das Feuer war dabei, herunterzubrennen, spendete aber immer noch sehr viel Licht in der Dunkelheit. Es war mittlerweile nach 21 Uhr.
Die Bilder waren nicht mehr zu retten. Sie begutachtete flüchtig deren Reste und konnte nicht fassen, was hier gerade für ein Wert verloren gegangen war.
Sie lief zu der Stelle, an der sie ihre Waffe hatte fallen lassen und hob sie auf. Es war nur noch ein Schuß darin,  und sie hatte keine Patronen dabei. Nur mit viel Überredungskunst und Sondergenehmigung hatte sie die Waffe und ihr Messer ins Flugzeug nach Frankreich mitnehmen dürfen, im eingecheckten Koffer. Ihr Messer fand sie nicht mehr.
Mit einem Mal hörte sie Geräusche im Schloss. Ein maskierter Mann erschien an einem Fenster im ersten Stock, zielte mit einer Pistole auf Verena und schoss. Die Kugel verfehlte ihr Ziel. Verena geriet in Panik und rannte hinunter zum Fluss. Sie versuchte, sich vom Licht des Feuers zu entfernen, damit der Schütze sie nicht sehen konnte. Glücklicher Weise gab es einige Büsche, hinter denen sie eine kurze Pause machen konnte, aber sie wußte, dass sie dort nicht lange sicher war. Der Schütze hatte ganz offensichtlich Patronen im Übermaß. Er schoß wahllos in ihre Richtung. Sie mußte weg, nur leider war ihr der Rückweg zum Auto durch den Kugelhagel abgeschnitten. In der Dunkelheit erkannte Verena, dass am Ufer der Rhône ein kleiner Steg ins Wasser führte, und hinter dem Steg schaukelte etwas im Wasser. Ein Motorboot. Verena stürzte darauf zu. Sie sprang in das Boot und versuchte den Motor zu starten. Noch nie zuvor war sie ein Motorboot gefahren. Sie bekam den Motor nicht zum Laufen. Erst als sie den Schützen schon den Rasen zwischen Schloß und Rhône überqueren sah und ihr Adrenalinspiegel die innere Schallmauer durchbrach, startete er plötzlich wie von Wunderhand, und sie steuerte davon.
Zunächst fuhr sie ohne Ziel flußaufwärts. Ihr Puls raste. Sie mußte sich anstrengen, etwas zu sehen. Nach einer Weile zog sie ihr Handy aus der Tasche und versuchte sich an der landesweiten Rufnummer der französischen Polizei, aber sie hatte keinen Empfang. Ihr deutsches Handy stürzte beim  Aufbau der Rufnummer immer wieder ab.   
Als sie unter einer Brücke hindurch fuhr, sah sie auf der Brücke ein Schild, das ein kleines Flugzeug zeigte. Unter dem Schild stand: 800m. Sollte es in dieser Gegend einen Flughafen geben? Es konnte kein großer, öffentlicher sein, das wußte Verena, aber vielleicht ein kleiner, privater? Und wenn es einen gab, war er dann nicht das perfekte Ziel für den Drachen?
Verena stellte den Motor aus und ließ sich mit der verbliebenen Schubkraft an eine seichte Uferstelle anschwemmen. Sie sprang aus dem Boot, nicht ohne nasse Beine davonzutragen, und kämpfte sich die Uferböschung hoch. Auf der Brücke angekommen, folgte sie dem Schild.
Sie lief ungefähr zehn Minuten eine leicht ansteigende  Landstrasse entlang, die beiderseits von Weinanbau umgeben war. Ab und zu ragten kleinere oder größere Hügel auf. Als Verena den höchsten Punkt der Strasse erreichte, sah sie in der Ferne einen durch Scheinwerferlicht erleuchteten Platz. Es war in der Tat ein kleiner Flughafen. Im Scheinwerferlicht erkannte Verena vier Privatjets, eine Lande- und Startbahn, ein winziges Gebäude. Das ganze Areal wurde von einem Drahtzaun umsäumt. In der sonst so ländlichen Gegend sah der Platz nahezu futuristisch aus, obwohl Zaun, Landebahn und Gebäude etwas vernachlässigt wirkten. 
Verena bog rechts in die einzige Zufahrtstrasse zum Flugplatz ab. Das Weinanbaugebiet lief hier aus. Nach etwa 100 Metern endeten die Weinstreben und Brachland schloss sich an. Als Verena den letzten mit Wein angebauten Hügel passierte, näherte sich ihr plötzlich jemand von hinten.
Sie tastete nach ihrer Waffe, drehte sich um und schoss.
„Au, verdammt. Verena, was machst du?“
Es war Ari.
Verena erschrak.
Er hielt sein Ohr fest.
„Du hast mich am Ohr getroffen.“
„Das tut mir so leid, oh Gott, ich dachte ich würde von einem Drachenhelfer verfolgt. Was machst du denn hier?“, fragte sie angsterfüllt.
„Wir haben den Drachen verloren und verstecken uns hier, um ihn abzufangen, wenn er versucht, mit seinem Privatjet zu fliehen. Es ist die einzige Zufahrtstrasse. Er muss hier vorbeikommen.“
„So etwas in der Art habe ich auch gedacht.“, gab Verena zu. Sie riss sich ein Stück vom Pullover ab und gab es Ari. Er hielt sich den Stoff an sein Ohr. Einen Moment lang pausierte er, dann atmete er einmal tief durch.
„Hat Konrad Bessi überlebt?“, fragte er.
„Ja,“ antwortete Verena. „Er hat Verbrennungen erlitten, aber er überlebt. Er hat sogar den Auftragsmord gestanden.“
„Dann ist deine Aufgabe abgeschlossen und du kannst nach Hause fliegen, oder?“, fragte Ari.
„Eigentlich schon.“ Verena fragte sich, warum sie es nicht wirklich tat.
„Du brauchst dich um den Drachen nicht zu kümmern. Um den kümmern wir uns.“
„Wie meinst du das? Willst du damit sagen, Ihr zieht die Sache hier im Alleingang durch, ohne die französischen Behörden zu informieren?“
Ari verstummte. Dann fragte er, ohne Verenas Frage zu beantworten:
„Was ist mit den Bildern?“
„Verbrannt.“
Ari schaute zu Boden.
„Du hast gesagt, das Bild bedeutet dir nichts, obwohl es deiner Familie gehört hat. Aber das stimmt nicht, oder? Du hättest es gern wieder gehabt.“
„Ich hätte es gern noch einmal gesehen, ja.“
„Hey, was ist passiert, Ari? Woher kam der Schuß?“, unterbrach eine junge Frauenstimme die Konversation. Linda stand plötzlich neben ihnen.
„Es ist alles in Ordnung, Martha.“, antwortete Ari.
„Ich glaube, Ihr kennt Euch bereits: Verena, Martha.“ Aris Hände deuteten bei seinen Worten eine Vorstellungsgeste an.
„Ich habe bisher den Namen Linda mit Ihnen verbunden.“, konstatierte Verena.
„Ja, den Namen habe ich benutzt,“ erklärte Martha. Sie gab Verena widerwillig die Hand.
„Verena hat mich aus Versehen angeschossen,“ erklärte Ari, mit dem fragenden Blick von Martha konfrontiert.
„Im Auto ist Verbandszeug,“ erwiderte Martha und wies den Weg. Verena erkannte alsbald die Umrisse eines Autos, das hinter dem letzten Weinhügel versteckt stand.
Gemeinsam schritten sie zum Auto.
Als Martha Ari verarztet hatte, öffnete Ari die hintere Autotür und ließ Verena einsteigen.
Der widerwillige Gesichtsausdruck von Martha verzog sich zu Verärgerung und Unverständnis. Sie belegte Ari, der seine Position am Steuer einnahm, während sie auf der Beifahrerseite einstieg, mit einem Schwall an Vorwürfen, die Verena allerdings nicht verstand. Martha machte sich auf Hebräisch Luft.
Intuitiv meinte Verena zu verstehen, dass sie Ari dafür schalt, Verena nicht wegzuschicken sondern sie ins Auto einsteigen zu lassen. Und Ari zuckte die Schultern und fragte, was ihm anderes übrig bliebe.
„Sie wollen mich nicht dabei haben, richtig?“, wandte sie Verena an Martha.
„Richtig.“, erwiderte Martha auf deutsch.

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18. Kapitel: Das Geständnis

Sowohl der ins Knie geschossene Drachendiener als auch Konrad, der schwere Verbrennungen erlitten hatte, jammerten. Der eine laut, der andere leise.
Als der Krankenwagen vor dem Tor hielt, jedoch aufgrund des geschlossenen Tores nicht einfahren konnte, wandte sich Verena fuchtig an den Knieverletzten:
„Wenn Du ins Krankenhaus willst, sag uns, wie man das verdammte Tor aufmacht!“
„Der rote Knopf an der Treppe, im Seitenaufgang...,“ hauchte der Mann mit schmerzverzogenem Gesicht.
Verena sprang in den Seitenaufgang am Tor und suchte den Knopf. Ein Schatten huschte weiter oben auf der Treppe vorbei. Sie drückte den Knopf. Das Tor öffnete sich.
Der Krankenwagen fuhr ein.
Als Konrad von zwei Sanitätern auf eine Krankenbahre gelegt wurde, sagte Martin:
„Ich fahre mit.“ Er legte Konrad kurz eine Hand auf den Arm, um ihm zu signalisieren, dass er da war, und schaute zu, wie die Sanitäter ihn transportfähig anschnallten.
„Ich muss Ihnen leider sagen,“ begann Verena, „dass Interpol nach Konrad sucht und ihn mit Sicherheit im Krankenhaus aufsuchen wird. Sie werden ihn an die argentinische Polizei überstellen.“
„Aber wieso denn?“, fragte Martin.
„Weil er den Mord an Randolf Bock beauftragt hat.“
„Wer ist das?“
„Herr Bock war ein nicht ganz ehrenwerter Zeitgenosse, der Ihren Freund Konrad erpresste. Offenbar hatte Konrad Bessi ihm zuvor eine Mail geschickt und ihn für einen Kaufinteressenten gehalten.“
„Oh nein! Die falsche Email-Adresse! Die hatte ich ihm gegeben. Und der Empfänger hat Konrad erpresst? Sind Sie sicher?“, fragte Martin ungläubig. Im gleichen Atemzug erinnerte er sich jedoch, wie Konrad bei ihm in der Badezimmertür gestanden hatte und ihn fragte, was Martin über den Kaufinteressenten wußte. Zu dieser Zeit war es also passiert.
„Der Mörder hat den Mord gestanden und Konrad als seinen Auftraggeber identifiziert. Zuvor hatte Konrad einen Privatdetektiv damit beauftragt, Herrn Bock auszukundschaften.“, erklärte Verena.
Martin war außer sich. Er stieg in den Krankenwagen ein und schüttelte Konrad an den Schultern:
„Du Idiot, warum hast Du das getan? Warum?“
Konrad atmete schwer.
„Weil er mich erpresste.“, hauchte Konrad. „Er schrieb, er wolle drei Millionen Dollar oder er werde der Kriminalpolizei einen Hinweis auf die Existenz des Bildes geben. Ich hatte das Geld nicht, aber ich konnte auch nicht riskieren, das Bild zu verlieren.“
Martins Gesichtszüge fielen zusammen.
„Du hast es also wirklich getan!“, flüsterte er.
Dann wandte er sich Verena zu:
„Sind Sie sicher, dass Sie nicht mitkommen wollen? Geht es Ihnen wirklich gut?“
„Ich komme nicht mit. Fahren Sie nur.“, wehrte Verena ab. „Ich danke Ihnen vielmals für Ihre Hilfe.“
Die Sanitäter schlugen die Türen des Rettungswagens zu. Der Krankenwagen, in dem sich Konrad, Martin und der Drachenhelfer befanden, fuhr mit Blaulicht davon.

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Dienstag, 31. Januar 2012

17. Kapitel: In letzter Minute



Verena trat so heftig aufs Gaspedal, dass das Auto einen Satz machte. Sie hätte jetzt viel darum gegeben, in ihrem eigenen Auto zu sitzen. Dieses Mietauto kam einfach nicht auf Touren. „Verdammter Mist!“, fluchte sie, krallte sich am Lenkrad fest und starrte angestrengt geradeaus, als könne sie damit aus dem Auto noch mehr herausholen. Hoffentlich kamen sie nicht zu spät!
„Konrad!“, schrie Martin. „Meinen Sie, er ist da drin?!“
Verena hielt es für Zeitverschwendung, darauf zu antworten.
„O Gott! Fahren sie doch schneller!“ Martin war in Panik, es hielt ihn kaum auf dem Sitz. Ständig fuchtelte er wild gestikulierend vor ihrem Gesicht herum. „Da! Sehen Sie doch! Das Feuer wird immer größer!“, lamentierte er. Nun fing er auch noch an zu weinen.
„Reißen Sie sich zusammen! Ich brauche jetzt Ihre Hilfe. Und nicht noch einen, um den ich mich kümmern muss!“, fauchte Verena ihn an.
Das saß. Martin war augenblicklich still.
Jetzt konnten sie bereits die Konturen des Schlosses erkennen, das sich, von den Flammen gespenstisch erhellt, wie eine mittelalterliche Trutzburg aus der Dunkelheit hervorhob.
„Das Feuer ist im Hof!“, rief Verena. „Schnallen Sie sich ab. Wir müssen da so schnell wie möglich rein!“
Sie flogen die Auffahrt hinauf. In letzter Sekunde bremste Verena, fast wären sie an das massive Stahltor geknallt, was vermutlich ihr Ende gewesen wäre. Im Nu sprangen Martin und sie aus dem Auto. Ein beißender Brandgeruch wehte ihnen in die Nasen. Verena rannte zum Tor und sah sofort, dass sie gar nicht erst versuchen brauchten, es auf zu bekommen. Kein Knauf, keine Verzierung, kein Schlüsselloch, nur eine einzige glatte Metallfläche, mindestens drei Meter hoch. Vermutlich funktionierte die Schließanlage elektronisch.
„Das ist ja der reinste Sicherheitstrakt“, fluchte sie.
Die Mauern, die sich rechts und links des Tores anschlossen, waren nicht niedriger.
Und dann hörte sie die Schreie. Sofort bekam sie eine Gänsehaut. Martin, der sich bisher still hinter ihr gehalten hatte, fing sofort wieder an, durchzudrehen. „Das ist Konrad!“, schrie er, und brüllte gleich darauf aus Leibeskräften: „Konrad! Wir kommen!!“
Blitzschnell drehte Verena sich um und hielt ihm rabiat den Mund zu. „Sind Sie komplett verrückt geworden?“, zischte sie, „wenn Sie nicht sofort still sind, schlage ich Sie nieder!“
Martin nickte. Sie ließ ihn los.
„Wir müssen es über die Mauer versuchen. Kommen Sie hier entlang. Schnell! Und Vorsicht!“ Der Boden unter ihnen war glitschig. „Stellen Sie sich nah an die Mauer. Ich steige auf Ihre Schultern. Vielleicht kann ich mich dann hochziehen.“
Die schrecklichen Schreie, die beständig durch die Nacht halten, und kaum noch als menschlich zu bezeichnen waren, zerrten an ihren ohnehin überreizten Nerven. Sie nahm all ihre Kraft zusammen, kletterte an Martin empor und streckte sich. „Ein kleines Stück noch“, flüsterte sie. „Versuchen Sie sich auf die Zehenspitzen zu stellen!“ Martin stöhnte. Doch als Verena endlich ihre Hand auf die obere Kante der Mauer legte, an die sie gerade so heranreichte, bekam sie einen heftigen Stromschlag. In einem Satz sprang sie wieder von den Schultern ihres Begleiters herunter und landete der Länge nach im Matsch. Und dann ging alles sehr schnell. Scheinwerferlicht blendete sie. Und schon quietschten die Bremsen eines Autos.
„Runter! Auf den Boden!“, schrie Verena. Martin warf sich hin. Wieder ertönten die schrecklichen, durchdringen Schreie Konrads aus dem Schlosshof.
„Verena! Bist du es?“ Das war Ari! Er stürzte aus dem Auto auf sie zu. Hinter ihm tauchte eine Frau auf.
„Ihr bleibt liegen“, befahl Ari, „wir sprengen jetzt das Tor.“ Seine Begleiterin rannte zum Auto zurück und im Scheinwerferlicht glaubte Verena zu erkennen, dass es sich um Linda handelte. Ari und sie hievten ein Paket mit diversen herab hängenden Schnüren aus dem Auto und näherten sich dem Stahltor. Doch genau in dem Moment, als sie ihre Sprengladung anbringen wollten, schwebte das schwere Tor wie von Geisterhand gehoben in die Höhe, und ein Landrover schoss daraus hervor. Mit einem gewagten Schlenker umrundete er auf der Auffahrt Verenas und Aris Auto, erreichte die Straße und machte sich davon.
„Los!“, schrie Ari, „das ist er!“, sprang mitsamt seiner Begleiterin ins Auto zurück und setze dem Landrover nach.
Verena handelte automatisch. Sie sprang auf, zückte ihre Waffe und rannte so schnell sie konnte, auf das schwebende Tor zu, dass sich bereits wieder langsam nach unten bewegte.
Auf alles gefasst stürzte sie in den Hof. Dort bot sich ihr ein schreckliches Bild. Inmitten eines riesigen Feuers, das sich von vier Seiten auf ihn zubewegte, stand ein Mann an einen Pfahl gefesselt. Dicker, schwarzer Rauch umgab ihn. Seine Schreie waren verstummt, sein Kopf hing kraftlos nach unten. Verena holte tief Luft, ließ ihre Waffe fallen, raste auf die Mitte des Feuers zu, im Laufen holte sie ihr Messer aus der Tasche, klappte es auf, zerschnitt die Fesseln des Mannes und schleppte mit letzter Kraft den schlaffen Körper aus den Flammen heraus.
Dann brach sie zusammen.

Wenig später zeigte sich, dass es ein Glück gewesen war, Martin mitzunehmen. Er hatte es tatsächlich gerade noch so durchs Tor geschafft. Nun trat er in Aktion. Zuerst schlug er das Feuer aus, das Verenas Jacke erfasst hatte. Dann rannte er zum Fluss, der sich durch den Schlosshof zog, tauchte seine Jacke ins eiskalte Wasser, kam damit zu Verena und Konrad zurück und rieb ihnen die Gesichter mit dem nassen Stoff ab, was dazu führte, dass Verena langsam wieder zu sich kam. Als nächstes fühlte er Konrads Puls, stellte fest, dass noch Leben in ihm war, und telefonierte augenblicklich nach einem Krankenwagen. In Verenas Geist drangen all diese hektischen Aktivitäten nur sehr verschwommen. Aber sie nahm sich vor, Martin später dafür zu danken. So viel Umsicht hatte sie ihm gar nicht zugetraut. Seine Meisterleistung jedoch bestand darin, dass er, als er eine bewaffnete Gestalt aus dem Schloss auf sich und die beiden Liegenden zukommen sah, Verenas Waffe griff und schoss.
Er traf den Schergen des Drachen zwar nur ins Knie. Aber das reichte, um ihn ungefährlich zu machen.
Verena setzte sich auf, hustete, sah zu dem Mann hinüber und erkannte, dass er versuchte, sein Gewehr zu erreichen, das ein paar Meter vor ihm lag.
„Ich – ich habe einen Menschen erschossen“, stotterte Martin. „Oh Gott, ich habe einen Menschen erschossen!“
„Der ist ziemlich lebendig“, gab Verena trocken zurück. „Los, lauf!“ und als Martin nicht reagierte, schrie sie: „Sieh zu, dass er sein Gewehr nicht kriegt, du Idiot!“
Und selbst das schaffte Martin noch. Als er mit dem Gewehr zurück kam, lächelte er stolz.
„Für den Idioten entschuldige ich mich“, sagte Verena. „Das haben Sie wunderbar gemacht.“
Und dann hörten sie von der Straße her die Sirenen des Krankenwagens.

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Sonntag, 29. Januar 2012

16. Kapitel: Unerwartete Begegnungen

Verena wachte auf der Notfall- Krankenstation am Flughafen in Nîmes auf. Als sie zu sich kam, lag sie auf einer provisorischen Liege. Neben ihr, auf einem Stuhl, sass eine Frau mit kurzen braunen Haaren und kleinen braunen Augen, ein Kostüm mit Namensschild tragend. Auf dem Schild stand: Martha Charm. Es war die stämmige Stewardess, obwohl ‚stämmig‘ leicht übertrieben war. Auf den zweiten Blick sah sie eher aus wie ein kleines Muskelpaket, so als ob sie exzessiv Kraftsport betrieb, und war recht attraktiv.   
Verena brauchte ein paar Minuten, um das Gesicht der Stewardess wieder zu erkennen. Gleichzeitig mischte sich eine weitere Erinnerung dazwischen. Verena war, als ob sie das Gesicht in einem anderen Kontext schon einmal gesehen hatte, auf einem Foto. Aber wann und wo?
„Oh Sie sind wach!“, rief die Stewardess. „Wie geht es Ihnen? Tut Ihnen etwas weh?“
Verena fühlte sich benommen und durstig. Sie bewegte vorsichtig ihre Glieder. Dann schüttelte sie langsam den Kopf. 
„Mir tut nichts weh. Ich fühle mich, als ob ich 100 Jahre geschlafen hätte. Wo bin ich? Was ist passiert?“
„Sie sind im Flugzeug ohnmächtig geworden und wurden sofort nach der Landung in die Krankenstation transportiert. Wir sind am Flughafen in Nîmes. Wenn ich mich recht erinnere, wollten Sie weiter nach Tarascon. Das ist noch 26 Kilometer von hier entfernt.“
„Richtig.“ Verena erinnerte sich daran, dass sie im Flugzeug auf die Toilette ging und Ari hinterher verschwunden war.
Die Stewardess reichte Verena ein Glas Wasser und erklärte:
„Sie scheinen im Flugzeug halluziniert zu haben. Sie haben ihren Sitz nicht mehr gefunden und Ihren Begleiter nicht mehr erkannt. Gott sei Dank scheint es Ihnen jetzt besser zu gehen. Somit werde ich mich verabschieden und Sie der Krankenschwester überlassen. Man wird sie sicher noch ein paar Stunden unter Beobachtung stellen, bevor Sie gehen können. Aber Ihr Begleiter hat mich gebeten, Ihnen etwas auszurichten. Er konnte leider nicht auf sie warten und ist bereits vorgefahren. Sie sollen ihm jedoch nur nach Tarascon folgen, wenn Sie bereit seien, im Team zu arbeiten. Die Reise sei zu gefährlich, um sie zerstritten anzutreten.“
Verena blickte die Stewardess fragend an. Der Ton in dem diese sprach, war merkwürdig. Die ganze Situation war merkwürdig. War diese Frau wirklich eine Stewardess? Verena war sich sicher, dass ihr Ari etwas ins Glas getan hatte. Er wollte sie nicht dabei haben, solange sie ihm eine Szene machte. Er hatte ganz offensichtlich ein Ziel, dem er Verena unterordnete. Dennoch ließ er die Tür einen Spalt offen. Warum?
„Ich danke Ihnen.“, sagte Verena zur Stewardess und reichte ihr zum Abschied die Hand. Und plötzlich dämmerte es ihr. Es war Linda, die Table Dancerin. Sie hatte Linda nur auf einem Foto gesehen, das Haase ihr gezeigt hatte, nachdem er mit ihr gesprochen hatte. Sie hatte Linda nie persönlich kennengelernt, aber das war sie. Ganz sicher.
„Nichts zu danken.“, antwortete die Stewardess nur, nahm ihren kleinen Koffer und verließ die Station.
Verena blieb einen Moment sprachlos zurück.
Gehörten Linda und Ari zusammen?

Verenas Neugierde war geweckt. Sie beschloss, nach Tarascon zu fahren und in dem Hotel einzuchecken, das Ari für sie beide gebucht hatte. Vielleicht fand sie ihn dort. Er war ohnehin der einzige, der möglicher Weise wußte, wo man nach Konrad Bessi suchen mußte.
Als sie zwei Stunden später, nach einer kurzen medizinischen Untersuchung, aus der Notfallstation entlassen wurde, buchte sie mit Hilfe ihrer mageren Französischkenntnisse einen Mietwagen und fuhr allein nach Tarascon. Es war bereits Abend als sie im Hotel eintraf. 
An der Hotelrezeption fragte sie nach ihrer Reservierung und war nahezu überrascht, dass sie noch vorhanden war.
„Madame Mayer-Galotti. Chambre 104.“, sagte die Rezeptionistin und reichte ihr einen Schlüssel über den Tisch, an dem eine Plakette mit der Zahl 104 befestigt war.“
„Entschuldigen Sie,“ fragte Verena auf Französisch, „hat Ari Kelch bereits eingecheckt?“
„Ja, Madame. Vor vier Stunden. Allerdings hat er das Hotel danach gleich wieder verlassen und ist noch nicht zurück.“
„Hat er eine Nachricht für mich hinterlassen?“
„Nein, Madame, hat er nicht.“
Verena war enttäuscht. Sie ging zunächst auf ihr Zimmer und überlegte, was sie tun sollte. Sie hatte das unbestimmte Gefühl, dass es wichtig war, Ari und Konrad Bessi noch in dieser Nacht zu finden. Da sie jedoch keinen Anhaltspunkt hatte, wo sie die beiden finden konnte, entschied sie sich, ihrem ursprünglichen Plan zu folgen und die örtliche Polizei aufzusuchen. Vielleicht war diese bereits informiert und besaß irgendwelche Hinweise.

„Wen suchen Sie?“, fragte ein dürrer Polizeibeamter, mit arrogantem Unterton, auf der Wache in der Innenstadt von Tarascon. „Konrad Bessi?“
„Er wird per internationalem Haftbefehl gesucht und hält sich wahrscheinlich in Tarascon auf. Haben Sie keinerlei Informationen darüber?“, fragte Verena.
„Nein, habe ich nicht.“, erwiderte der Beamte schroff. „Aber Sie sind schon die Zweite, die heute Abend nach diesem Konrad Bessi fragt. Sie können sich mit dem jungen Mann da drüben zusammen tun.“ Und dann streckte er seine dürre Hand aus und dirigierte Verenas Blick auf einen Mann, der in der Nähe des Eingangs auf einer Besucherbank sass und zwei Karten von Tarascon studierte.
Verena wandte sich von dem Polizeibeamten ab, der ihr offensichtlich sowieso nicht weiterhelfen wollte oder konnte, und schritt langsam auf den Mann zu.
„Entschuldigen Sie, Mayer-Galotti mein Name. Kriminalpolizei Deutschland. Ich bin auf der Suche nach Konrad Bessi und habe gehört Sie suchen ihn ebenfalls. Könnten wir uns unterhalten?“
Der junge Mann erschrak. Verena wußte nicht, ob er erschrak, weil er nichts oder alles verstanden hatte.
„Sprechen Sie französisch, englisch, deutsch?“, fragte Verena vorsichtig auf französisch.
„Spanisch und deutsch,“ antwortete der Mann auf deutsch.
„Das  trifft sich gut,“ erwiderte Verena erleichtert und sprang ins Deutsche.
„Darf ich fragen, wer Sie sind und warum Sie Konrad Bessi suchen? Vielleicht können wir zusammen arbeiten.“
„Das kommt darauf an,“ erwiderte der Mann mit perplextem Gesichtsausdruck.            
„Worauf?“
„Darauf ob Sie Interesse haben, sein Leben zu retten oder ihn zu verhaften.“ 
„Was, wenn ich an beidem Interesse habe?“
„Dann könnten wir uns bezüglich der ersten Intention verbünden, bezüglich der zweiten nicht.“
„Warum sagen Sie mir nicht erstmal, wer Sie sind?“, fragte Verena.
„Martin Hiems. Ich bin ein Freund von Konrad Bessi aus Argentinien. Ich habe ihn gestern als vermißt gemeldet und bin so schnell ich konnte herüber geflogen, weil ich denke, dass ihm etwas passiert ist.“
„Sie meinen, dass er sich mit dem Verkauf des Van-Gogh-Bildes in Gefahr gebracht hat?“
„Sie wissen also davon. Ja genau.“
„Er wird mittlerweile per internationalem Haftbefehl gesucht.“, erklärte Verena.
„Wegen des Bildes?“, fragte Martin.
„Auch. Was hat er Ihnen über den Käufer erzählt?“
„Er hat nur etwas von einem Schloß erwähnt, dass der Käufer ihn auf sein Schloß eingeladen hat, mehr nicht.“ 
„Also das Schloß von Tarascon, in der Innenstadt, kann es nicht sein. Das ist touristisch. Sie haben ja bereits die Karte studiert. Gibt es weitere Schlösser in der Gegend?“
„Zwei. Beide in der Nähe.“ Martin zeigte auf zwei Punkte auf der Karte.
Verena nahm die Karte und ging zurück zu dem dürren, arroganten Polizeibeamten.
„Sagen Sie bitte, ist eines dieser beiden Schlösser in Privatbesitz?“  
Der Polizist blickte mißtrauisch.
Dann zeigte er auf eines der beiden Schlösser, das kleinere am Ufer der Rhône, und sagte:
„Das hier gehört einem alten Zausel, Kunstsammler so viel ich weiß.“
„Danke.“
Verena wandte sich wieder Martin zu.
„Kommen Sie, wir fahren dort hin.“

Verena und Martin schauten angespannt aus dem Auto in die Dunkelheit hinaus. Je näher sie dem Schloß kamen, desto angespannter wurden sie. Doch noch bevor sie es sichteten, zog etwas Anderes ihre Aufmerksamkeit auf sich.
Ein großer Lichtkegel.
„Feuer!“, riefen Verena und Martin gleichzeitig.

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